333 Jahre Kirchengemeinde Ramelsloh

Quelle: Sabine Rambow (veröffentlicht im Turmhahn)

Die Ramelsloher Kirchengemeinde – Der Anfang 1684

Zu Beginn der 90er Jahre des 17. Jahrhunderts regnete es viel in Ramelsloh. Die Ernte verdarb und auch die genossenschatlich genutzte große Gildewiese an der Seeve brachte ihren Nutznießern nicht das erhoIe Heu. An einem Tag des Jahres 1694 ritten vier Bauern als Abgesandte des Dorfes Ramelsloh gemeinsam nach Winsen um dort Amtmann Koch für sich zu gewinnen. Auf dem Weg nach Winsen befand sich auch der Stiftslehrer und Vikar Johann Wilhelm Schmidt. Anlass war die turnusmäßige Weitergabe der Gildewiese, weswegen sich das ganze Dorf gegen ihn verbündet hatte. Während Bauern und Bürgermeister „wegen des schlechten und nassen Gewitters“ die Wiese einfach ein weiteres Jahr behielten, verweigerten sie dem Stiftsvikar dieses Recht. „Ob wir nun wol nichts mehr als eben solches Recht begeren, hat es uns doch vor der gnädig Baurscha) so gut nicht werden mögen“, beschwerte sich der Stiftslehrer über den fehlenden Gerechtigkeitssinn der Ramelsloher.

“Weil dem nichts weder mit gelinden noch harten Worten bei solchen Herrn zu erhalten war, habe mich entschlossen nach dem Ambte zu Winsen zu gehen, um zu erfaren, ob nicht daselbst ein beßer Recht als zu Ramelslo auf dem Rath-Hause zu finden. Ich wagte ein großes- wann ich daran gedenke möchte mir noch das Grausen ankommen- indem ich als ein eintziger elend Mann wieder die gantze Dorfscha) und deren 4 wolberittene Deputirte zu agiren mich unterstünde.“

Über den Ausgang des ungleichen Streites berichtete Schmidt: „Allein es bestunden solche trotzige Rier daselbst wie Buer in der Sonnen und wurden elendiglich aus dem Sael gehoben und gingen zwar zu Pferde doch mit niederhangenden Ohren und gebeugten Köpffe, daß sie kaum einen labetrunck über ihr betrübtes Hertze bringen konten, voll Schimpff und Beängstigung wieder zu Hause.“

Der Amthauptmann sprach die Wiese dem Stiftsvikar ein weiteres Jahr zu und befahl den Ramelslohern die alte Ordnung wieder herzustellen. Kurzerhand beendete er noch einen weiteren Missbrauch der ebenfalls genossenschaftlichen Dieckwische, welche die Bauern nach eigener Nutzung eigenmächtig an einquartierte Reiter weitergaben. Dadurch wälzten sie die Einquartierungslast auf das Stift ab.

Die Kirchengemeinde Ramelsloh war damals gerade zehn Jahre alt und Conrad Balthasar Volckmann ihr erster Pastor. Als Sohn eines „Bürgers und Handelsmannes“ 1635 in Walsrode geboren, hatte er jung und voller Energie seinen Dienst als Stiftsprediger in Ramelsloh angetreten, zuständig für die etwa 20 Bewohner des Stifsbezirkes.

Volckmann baute das im 30jährigen Krieg zerstörte Pfarrhaus neu auf, das er 1665 bezog. Er sorgte für Ordnung auf dem Kirchhof und jagte die Schweine fort, die die Gräber zerwühlten. Als erster Pastor begann er das älteste in der Gemeinde vorhandene Kirchenbuch zu führen. Aus eigenen
Mitteln errichtete er ein Pfarrwitwenhaus und bezahlte eine siebenstimmige Orgel für die Kirche, die sein Wappen trug. Sein bedeutendstes Verdienst aber bestand im Zusammenschluss von Stifts- und Dorfgemeinde im Jahre 1684, die bis dahin zu Pattensen gehörte, „ohngeachtet der vielen Unkosten, Reisen, Mühe und Verdrießlichkeiten…“, die er dafür auf sich nahm. Sie zehrten auch die Vermögen seiner Frauen auf. Sein eigenes Einkommen lag unter dem Existenzminimum. Nur schwer kam er an die ihm zustehenden Einnahmen. 1698 klagte man z. B.: „Waß sein Meyer zu Ohlendorf betrifft, so ist bis dato noch nicht eine Himte von ihme geliefert worden. Der loße Vogel verursachet viele Verdrießlichkeit.“

Durch den Zusammenschluss von Stifts– und Dorfgemeinde kamen noch etwa 80 Leute aus über 20 Häusern zu seiner Gemeinde hinzu. Die Ramelsloher dankten ihm seine Bemühungen „vor Gottes Ehre und seiner Kirche besten“ mit regem Gottesdienstbesuch.


Stiftsprediger Volckmann

Epitaph für Conrad Balthasar Volckmann in der Ramelsloher Stiftskirche

Am 11. Januar 1684 wurde die Ramelsloher Gemeinde durch eine fürstliche Verordnung von Pattensen getrennt und mit der Stiftskirche zusammengelegt. Eine Generalvisitation durch den Bardowicker Superintendenten gibt Aufschluss über die Kirchengemeinde damals:
Im Gottesdienst, der im Sommer um 8.30 Uhr, im Winter um 9 Uhr begann, wurde immer über einen Evangeliumstext gepredigt. Der Pastor hatte „eine angenehme Sprache und beliebte Gaben zu predigen.“ Am Sonntagnachmittag gab es für Kinder und Eltern Katechismusübungen. Auch am Freitag wurde in einer Betstunde gepredigt und Kinderlehre gehalten. Am Sonnabend vor dem Abendmahlsgottesdienst war Beichte, „wobei die Einfältigen in dem Beichtstuhl aus dem Catechismo examiniret“ wurden.
Neugeborene ließ man höchstens vier Tage ungetauft. Bei Trauungen oder Tau-fen gab es keine großen Festlichkeiten. Fremde ohne gültige Genehmigung wurden nicht getraut, „wie wol dem Pastori einsten 200 Thaler daß ers thun möchte, gebohten worden, er hats aber nicht wollen nehmen“. Das Jahreseinkommen des Pastors betrug damals 300 Thaler. Der Bestechungsversuch für die gewünschte Trauung belief sich also auf zwei Drittel des Jahresgehaltes!

Anders als seine Nachfolger hielt Pastor Volckmann bei allen Beerdigungen eine Predigt. Die Orgel spielte Lehrer und Küster Adrian Schwarzkopf. Über ihn heißt es: „Er schlägt zwar nach der Tabulatur, den Generalbass aber versteht er nicht.“ Sein Vorgänger hatte für Ärger gesorgt, weil er die Schulkinder seiner Frau überließ und häufig „doll und voll“ war.
Im persönlichen Leben erlitt Volckmann viele Schicksalsschläge. 1694 starb seine dritte Frau. Seine erste Frau „hat müßen die Augen zuthun“ bei der Geburt ihres zweiten Kindes. Die zweite Frau hinterließ ihm ebenfalls zwei Kinder. Vier weitere waren gestorben. Mit seiner dritten Frau führte Volckmann zwölf Jahre lang „eine vergnügte friedliche und gesegnete Ehe“, aus der fünf Kinder hervorgingen. 1696 heiratete er aufgrund „nahenden gebrechlich Alter und Leibesschwachheit und zu seiner Kinder beßern Erziehung“ eine wohlhabende junge Lüneburgerin, die 1703 bereits wieder starb.
Volckmann erwies sich als sehr sorgfältiger Pastor. Seine Bemühungen galten sowohl der Verbesserung des Stifts als auch der Gemeinde. Wegen zunehmender Altersschwäche bat er 1708 das Konsistorium in Hannover um Unterstützung im Pfarramt durch einen Adjunkten. Er schlug den Theologiestudenten Franz Wilhelm Lamprecht vor, der sich ihm vorgestellt hatte und hoffte, dass er „mit selbigen in guter Ruhe und Zufriedenheit die noch übrige Zeit meines Lebens, meine Amptsverrichtungen werde fortsetzen können.“
Aus Ruhe und Zufriedenheit wurde aber nichts. Unter Gerüchten und Querelen leidend, lag Volckmann nach einem Schlaganfall schwermütig im Bett. Zwei Wochen vor seinem Tod ließ er sich in die Kirche bringen, wo er „seine liebe Gemeinde“ noch einmal segnete.
Am 18. Mai 1709 abends stand die Familie am Bett des Sterbenden und sang den Choral „Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen“, während die Betglocke im alten Glockenturm schlug.
Conrad Balthasar Volckmann wurde 73 Jahre alt, war 44 Jahre Pastor gewesen und hatte 13 Kinder sowie 16 Enkelkinder. Seine feierliche Beerdigung fand im Altarraum der Kirche statt.
Wegen seiner Verdienste und Beliebtheit und weil er „aller Falschheit, Heuchelei und Ungerechtigkeit Feind gewesen“ war, hängte man bald nach seinem Tod sein Epitaph in der Kirche auf, das ihn auf seine Gemeinde blickend darstellt.


Die erste Konfirmation

Der Vorgängerbau der jetzigen Ramelsloher Kirche

Am 19. Dezember 1708 wurde Franz Wilhelm Lamprecht in sein Amt als Pastor von Ramelsloh eingeführt. Der Dorfklatsch wusste zu berichten, dass Lamprechts Mutter, Frau des Dannenberger Bürgermeisters, die Stelle für ihren Sohn arrangiert habe, ebenso die Ehe mit der jüngsten Pastorentochter Elisabeth. Man warf ihm vor, dass er auf die Einnahmen seines zukünftigen Schwiegervaters schon vor dessen Tod spekuliere und sich Vorteile zu verschaffen trachtete. Lamprecht führte die bereits 1693 im Fürstentum Lüneburg angeordnete Konfirmation endlich auch in Ramelsloh ein, an der 1709 vier Mädchen und vier Jungen teilnahmen. Anschließend hatten diese noch drei Jahre Teilnahmepflicht an der Kinderlehre. Seine Predigten kamen in der Gemeinde weniger gut an.
Am 9. Dezember 1709 entstand um 22 Uhr „ein plötzlicher sehr schrecklicher Brandt, woher ist Gott am besten bekanndt.“ Curien, Kirche und das ganze Dorf standen in Gefahr von den Flammen erfasst zu werden. Pastor Lamprecht beklagte die Schwierigkeit Leute aus dem Dorf zum Löschen zu bewegen „und sollen einige so unchristlich gesprochen haben, es wäre im Stift.“
Als Pastor wurde ihm auch das Amt des Gildeherrn übertragen. Die Gilde war ein genossenschaftlicher Zusammenschluss der meisten Bewohner. Sie sollte daran erinnern, dass rechtschaffene Christen in Glück und Freude, aber erst recht bei Not und Tod zusammenstehen müssen. Neue Mitglieder wurden „eingeklopft“ und bekamen mit zwei kleinen weißen Stöcken einen sanften Schlag auf die Schultern. Damit sollte an Ansgar erinnert werden, der oft in Bedrängnis geriet und sich handgreiflich mit einem weißen Stock gegen Christengegner zur Wehr setzen musste.
Die Gilde kümmerte sich um die Beerdigungen im Dorf. Sie finanzierte Orgelreparaturen, Wein, Oblaten und Altarlichter für die Kirche, oder beförderte Heidefuhren für den Zaun am Pfarrgarten. Als 1739 beim Totengeläut für ein Kind der Junge Peter Maak zu heftig am Glockenseil riss, stürzte die Glocke ab, schlug dabei die Turmuhr im alten Glockenturm kaputt und wurde unter Lebensgefahr von vier Männern der Gilde wieder nach oben gezogen und repariert.
In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts lebten in Ramelsloh zahlreiche Militärangehörige. Kinder von Dragonern, Reitern, Leutnants, Feldtrompetern und Rittmeistern wurden getauft. Die Zahl unehelicher Kinder stieg beträchtlich. Während die Väter sich oft der Verantwortung entzogen, mussten die Mütter Kirchenbuße tun. Auch Dienstknechte hatten fast nur uneheliche Kinder, weil ihre äußeren Lebensbedingungen eine Familiengründung erschwerten.
Kindersegen – wenn auch ehelichen – gab es auch im Pfarrhaus. Im Sommer 1717 stiegen Pastor Lamprecht und seine hochschwangere Frau auf einen Pferdewagen um zum Einkaufen nach Harburg zu fahren. Plötzlich geschah es, „daß die Pferde vom Hof aber aus Otters Hause läuffig wurden und mit unß gleich vom Hofe ab ganz rasend durchß Dorffe lauffen, biß nach Ravens Hause,“ wo sich dem Wagen mutig der Sohn des Hofes, Jochim, „ein sonst noch junger Knabe“ entgegenwarf und großes Unglück verhinderte. Kurz darauf wurde der Pastor „mit dem Anblick eines gesunden wohlgestalten Söhnleins erfreuet.“
Nachdem er seine beiden Töchter an Pastoren der Umgebung verheiratet hatte, heiratete Lamprecht selbst nochmal im Alter von 67 Jahren eine junge Frau. Er starb am 27. Januar 1760 im Alter von 81 Jahren. Sein Nachfolger wurde 1758 Johann Ulrich Schwenzel.


Das Ende des Stiftes

Der Pastor und letzte Stiftsprediger Wilhelm Christoph Meyer (1804-1877)

Von 1760 bis 1779 war der ehemalige Feldprediger Johann Ulrich Schwenzel Pastor in Ramelsloh. Damals diente der Gottesdienst neben der Glaubensvermittlung als wichtigste Informationsquelle. Nach der Predigt verlas der Pastor pflichtgemäß herzogliche Bekanntmachungen. Sie betrafen Gesundheitstipps, Gewichte und Maße, Steuererhöhungen, Brandschutz, tollwütige Hunde oder warnten vor Betrug. Diebischen Dienstboten, Geldfälschern oder aufsässigen Kindern drohten drastische Strafen. Letztere mussten häufig in Celle mit Steinen beladene Karren für den Festungsbau schieben. Viele Pastoren verweigerten später solche Abkündigungen.
Nach Pastor Schwenzels Tod 1779 befand sich das Pfarrhaus in unbewohnbarem Zustand. Da kein Geld da war, blieb Ramelsloh fast zwanzig Jahre ohne eigenen Pastor und wurde von Pattensen mitversorgt.
Erst 1798 zog Georg Friedrich Frank als neuer Pastor ins Pfarrhaus ein. Napoleon unterstellte 1803 das Königreich Hannover seiner Militärverwaltung und führte rigorose Neuerungen ein. Pastor Frank schloss nun auch standesamtliche Ehen und musste dem Brautpaar ein Kapitel aus dem napoleonischen Gesetzbuch vorlesen.
Die Schlacht von Waterloo brachte 1815 Napoleons endgültige Niederlage. Rücksichtslose Soldatenaushebungen und höchste steuerliche Belastungen waren vorbei. Aber auch alle vom französischen Liberalismus beeinflussten verwaltungsrechtlichen Neuerungen wurden rückgängig gemacht. Für die Verwaltung war das nicht unbedingt ein Fortschritt. Jahrzehntelang wurde auch in Ramelsloh alljährlich am Tag der siegreichen Schlacht ein Dankgottesdienst gefeiert.
Im Jahr 1818 schloss das Stift einen Vergleich mit den zinspflichtigen Bauern. Seit 1806 befanden sich beide Parteien im Rechtsstreit

Grabstein von Wilhelm Christoph Meyer

wegen der freien Mahl-zeit, die jeder Kornablieferer für seine Familie vom Kapitel Ramelsloh bean-spruchte. Immer mehr Esser nahmen daran teil und tranken Unmengen Bier. Es kam zu Tätlichkeiten und Kosten, die in keinem Verhältnis zu den Einnahmen standen. Als das Stift sich weigerte diese Mahlzeiten aufrechtzuerhalten, sahen sich die empörten Bauern um Freibier und Dorffest gebracht, mussten aber schließlich nachgeben. Ein „auf ewige Zeiten“ geschlossener Vertrag beendete den vom Stift finanzierten liebgewonnenen Dorfschmaus für immer.
1830 starb nach zweiunddreißig Dienstjahren in der Gemeinde Pastor Georg Friedrich Frank, im Alter von 69 Jahren.
Nachfolger wurde der 26jährige Albrecht Wilhelm Christoph Meyer, der als letzter Pastor zugleich Stiftsprediger war. Er heiratete zweimal eine Tochter seines Vorgängers, die beide nach kurzer Ehe starben. Seine dritte Frau überlebte ihn.
Etwa 130 Leute brachte der „thätige, fähige und zuverlässige“ junge Pastor sonntags im Gottesdienst zusammen.
Am 9. Januar 1850 wurde in Ramelsloh der erste Kirchenvorstand gewählt. Nur Männer durften wählen und gewählt werden.
1856 trug Pastor Meyer den Tod seines 22jährigen ältesten Sohnes Albert ins Kirchenbuch ein, der als Leutnant in der Garnison Osnabrück erschossen worden war.
Das Stift wurde 1863 aufgelöst. Alles Vermögen ging auf die Klosterkammer Hannover über, die damit die Pflichten der Gebäudeerhaltung übernahm.
1865 wendete Pastor Meyer sich erstmals an das Königliche Klosteramt wegen drohender Gefahren in der desolaten Kirche. Die folgenden Sorgen und Aufregungen bewogen manchen Kirchenvorsteher das Amt niederzulegen.
Pastor Meyer starb am 8.11.1877 im Alter von 73 Jahren. Sein Grab befindet sich südwestlich vom Hauptportal der Kirche.


Die neue Kirche

Pastor Rudolf Woltmann

In einer Zeit großer politischer Veränderungen trat 1877 Pastor Rudolf Woltmann seinen Dienst in Ramelsloh an. Bauverhandlungen wegen der verwahrlosten Kirche und schließlich deren Neubau bestimmten seine Amtszeit. Der Ärger und die Sorgen endeten am 1. Advent 1889 mit der Einweihung einer neuen Kirche mit weithin sichtbarem Turm. Die „Pastor-Woltmann-Straße“ im Domherrengarten erinnert an seine zielstrebigen und verdienten Bemühungen um den Kirchenneubau.

Pastor Woltmann erwarb sich auch die Liebe der Gemeinde durch treue und fleißige Amtsführung. Er erhöhte die Zahl der Gottesdienstbesucher deutlich. Im Gottesdienst lernten sie einfache Formen der Liturgie, auf die der Vorgänger keinen Wert gelegt hatte und die auch der Organist nicht kannte. Zu den Nachmittagsgottesdiensten kamen nochmal 50 Leute und viele Kinder. Über Woltmanns Predigten schrieb der Superintendent: „Eine Predigt wie diese wird von unserem Landvolk verstanden und geht nicht über die Köpfe hinweg…“ Woltmann lernte seine Predigt immer auswendig.

Straßenschild im Ramelsloher Neubaugebiet

Der Kirchenvorstand setzte sich 1890 auch kritisch mit dem Problem der neu entstandenen Sozialdemokratie auseinander und stellte dazu fest: „… gleich-wohl kann nicht verschwiegen werden, dass der Nährboden für die Bewegung vorhanden ist.“

Von der 1848 gegründeten Missionsanstalt Hermannsburg breitete sich die Gemeinschaftsbewegung aus. Einige Gemeindeglieder aus Ramelsloh gehörten dazu. Mit ihnen kam es zu Spannungen und den ersten Kirchenaustritten in der Gemeinde. Woltmann ging Ostern 1895 in den Ruhestand. Er starb zwei Jahre später in München.

1895 wurde Heinrich Freund neuer Pastor. Die Kirche erhielt 1903 schmiedeeiserne Kronleuchter und 1907 endlich Kirchenöfen. Die aus der alten Kirche übernommene Orgel wurde 1912 ersetzt.

Pastor Johann Hinrich August Heinrich Freund

In der Gemeinde mehrten sich die Klagen über die zuchtlose Jugend, die sich von den Eltern nichts mehr sagen ließ: „Als ein Unfug allerschlimmster Art muß die althergebrachte Sitte der Fastnachtsfeier der Knechte und Mägde und jungen Haussöhne bezeichnet werden, die vier Tage lang dauert und die Feiernden ebensolange von der Arbeit fern hält und manchen gar nicht aus der Trunkenheit herauskommen läßt.“ Alle Versuche kirchlicher Jugendarbeit blieben erfolglos. 1909 führte Pastor Freund erstmals einen sehr erfolgreichen Heiligabendgottesdienst ein.

Als 1914 der 1. Weltkrieg ausbrach, stieg der Gottesdienstbesuch kurzzeitig stark an. 1917 musste die Gemeinde die zwei kleinen Glocken als Kriegsmetall abliefern. Die große Glocke war auf Grund ihres Denkmalwertes befreit.
Über die Spuren, die der Krieg hinterließ heißt es: „Die Krieger sind fast ohne Ausnahme als ernste Männer zurückgekehrt, auch solche, die früher wohl das Leben leicht zu nehmen geneigt waren, alle sind ernst und still wieder an die Arbeit gegangen…“
Die bald einsetzende Inflation brachte der Gemeinde größte Finanzprobleme trotz einer Rekordkollekte von 2.919.626 Millionen Mark und Kirchensteuersteigerung um 500.000 Prozent.
Am Erntedanktag 1925 wurden zwei neue Glocken geweiht mit der Inschrift: „Ehre sei Gott in der Höhe – Und Friede auf Erden“.
Pastor Freund trat 1929 nach 34-jähriger Tätigkeit in den Ruhestand. Da Ramelsloh keinen Pastor mehr bekam, blieb er bis zu seinem Tod im Januar 1939 im Pfarrhaus wohnen. Zwei Monate später brannte es ab.
Die Pfarramtstätigkeit übernahm der Steller Pastor.
1942 wurden die historischen Glasfenster der Kirche ausgebaut und durch Fensterglas ersetzt. Die beide kleinen Glocken mussten wieder als Kriegsmetall abgeliefert werden.

 


Die Gemeinde wächst

Pastor Karlheinz Merkel

Am Ende des 2. Weltkrieges trafen vierhundertfünfundvierzig Ausgebombte aus Hamburg und Flüchtlinge aus den verlorenen deutschen Gebieten Ostpreußen, Westpreußen und Schlesien in Ramelsloh ein. Englische Besatzungstruppen belegten fast alle Häuser im Dorf.
Im Sommer 1945 beauftragte das Landeskirchenamt den aus Breslau stammenden Pastor Karlheinz Merkel mit der Verwaltung der Pfarrstelle Ramelsloh. Die Menschen brauchten neben einem Dach über dem Kopf auch ein geistiges Zuhause. Evangelisationen, Missionsfe-ste und Jugendgruppen belebten das Gemeindeleben. Der Pastor und die ostpreußische Flüchtlingslehrerin Erna Engelhard führten einen kirchlichen Religionsunterricht ein. Nach anfänglicher Blüte erstarrte aber das kirchliche Leben bald wieder heißt es.
Im kalten Winter 1947 entdeckten die Ramelsloher ihre Begeisterung für´s Feiern wieder. „Trotz der bitteren Notzeit wurde…Fastnacht gefeiert. Im Gasthaus Scharfenberg fanden sich gegen 4RM Eintritt an 450 Menschen im ungeheizten Saal zum Fastnachtsrummel ein. Am Dienstag war das Treiben der Fastnachtsbrüder im Dorfe so schlimm, daß es nicht möglich war den Konfirmandenunterricht abzuhalten.“
Der britische Kommandant erteilte 1947 eine Transporterlaubnis, um die restaurierten historischen Fenster in die Kirche zurückzuholen. Im Jahr darauf zog der Pastor mit seiner Familie in die zum Pfarrhaus umgebaute Pfarrscheune, nachdem er bis dahin ein Zimmer im Haus Poppe bewohnt hatte. Im gleichen Jahr wurde eine Diakonisse als Gemeindeschwester für Ramelsloh und Ohlendorf eingestellt. Die Diakoniestation musste bereits 1950 wieder geschlossen werden, da es keine Zuschüsse mehr gab.

Pastor Siegfried Stalmann

Im September 1950 verließ Pastor Merkel Ramelsloh. Nachfolger wurde Pastor Siegfried Stalmann. Weil Ramelsloh als kleine Gemeinde keinen Pastor mehr bekommen hätte, verfügte das Landeskirchenamt Hannover im Jahre 1957 den Zusammenschluss der Dörfer Ramelsloh und Ohlendorf zur Kirchengemeinde Ra-melsloh. Bereits ab 1848 hatten die Ohlendorfer insgesamt vier Anträge auf Abtrennung von Pattensen und Vereinigung mit Ramelsloh gestellt. Die Ohlendorfer erwiesen sich über 100 Jahre lang als treue und regelmäßige Gottesdienstbesucher in Ramelsloh. Das stellte sich als Glück heraus.
Die nun gewachsene Gemeinde konnte am 12.8.1957 den Grundstein für ein neues Pfarrhaus legen, das am Himmelfahrtstag 1958 von Superintendent Grote, Winsen, eingeweiht wurde.
Unerwartet starb nach 15jähriger Tätigkeit in Ramelsloh Pastor Stalmann im Alter von 49 Jahren im Dezember 1964. Er hinterließ seine Frau und sechs Töchter. Sein Grab liegt auf dem alten Friedhof nördlich der Kirche neben dem Grab von Pastor Freund. Wenige Wochen nach seinem Tod fand zum 1100. Geburtstag Ansgars eine Gedenkfeier der Hannoverschen Landeskirche in Ramelsloh statt. Es predigte Landesbischof D. Dr. Lilje.

Probst Günther Marr

Propst Günther Marr aus Lüchow wurde 1965 Nachfolger Pastor Stalmanns. Während seiner Zeit als Ramelsloher Pastor erhielt der Kirchturm 1967 eine elektrische Läuteanlage. Bedeutendstes Ereignis war aber der Guss zweier neuer Glocken für die Kirche, an dem 1969 eine Abordnung der Gemeinde teilnahm. Auch beim Aufziehen der Glocken auf den Kirchturm staunten Gemeindemitglieder und neugierige Schulkinder mit ihren Lehrern.
Durch die Initiative junger Eltern wurde damals das Krippenspiel am Heilig Abend eingeführt. Propst Marr blieb bis zu seinem Ruhestand im September 1970 in der Gemeinde.